II. Zum Geburtstag herzliches Beileid

14.09.2005

Nachdem Fritz Göttler schon einmal einer Schauspielerin, deren Namen ich vergessen habe, zu Ihrem runden Geburtstag ein Porträt schenkte mit der Überschrift "Werde und stirb", folgte am 29.8. dieses Jahres (ich musste mich erstmal zwei Wochen davon erholen) ein neuer Schlag. Der Regisseur William Friedkin wird 70, und der morbide Tick des SZ-Filmredakteurs läuft zur Höchstform auf.
Nach einem Intro zu Friedkins "To Live and Die in L.A." (USA 1985) mit Betonung des dort zur Ansicht gebrachten Verkehrsschilds mit der Aufschrift "DO NOT ENTER. WRONG WAY." bescheinigt Göttler dem Amerikaner folgerichtig "irre Energie" und "suizidalen Drive". Warum begründet man nicht auch die Ablehnung des Kyoto-Protokolls so?
Aber amerikanische Präsidenten fahren, wie wir wissen, in Wirklichkeit ja nur gefährlich Fahrrad. Dafür schenkt uns das Kino jene Fantasien, ohne die wir scheint's nicht leben können. Aber weiter im Göttler:
"Mit seiner kühnen, an Orson orientierten Genie-Attitüde, die schnell abgelöst wurde von der liebenswerten Obsession, in jedem neuen Film die Autoverfolgung des vorigen gehörig zu übertrumpfen." Das ist wirklich herzallerliebst: Göttler sinnt, wahrscheinlich nur zart berührt vom Brausen Münchener Innenstadtblechlawinen, von den Autoverfolgungen, deren Ton man leiser stellen kann. Und würdigt eine Lebensleistung, die hart an der Sensibilität ihrer Kultur für das friedliche (hoho!) Miteinander von Mensch und Umwelt arbeitet. Wrummwrumm. Und mehr noch: Entweder, es war ein Fehler im Satz, oder Göttler steht sogar mit den teuren Toten, hier O. Welles, auf Du und Du, sodass er auch dem Leser zutraut, dass er weiß, worum es geht und warum sechs Buchstaben Nachname oder letzterer statt ersterem hier zuviel wären.
Dann folgt eine Aufzählung zu Unrecht vergessener Friedkin-Filme, die man jetzt wiederentdecken könnte. So weit, so gut. Ohne einen Absatz (wieder Eingriff Unbefugter?) geht Göttler aber von dieser Aufzählung von Filmtiteln mit Kurzkommentar über zu folgendem Satz: "Und dann die Frauen: 1977 heiratet er Jeanne Moreau, Anfang der Neunziger dann die Paramount-Chefin Sherry Lansing, eine der großen Power-Frauen Hollywoods." Jetzt also an Sherry, nicht mehr an Orson orientiert - verstehe. Und Göttler jetzt nicht mehr an Stringenz, sondern an vier Zeilen interessiert, die halt eben mal nicht zum vorhergehenden Absatz passen.
Der folgende Absatz ist dann eine Kaskade zusammenhangloser Memorabilien: Interview-Film mit Fritz Lang, ein Satz von Friedkin zu Hitchcock, "das erste Meisterwerk" "The French Connection" (USA 1971). Da weiß Göttler noch eine Personalie zu Fernando Rey und den Umständen seiner Besetzung.
Dann der Versuch, doch noch einen Zusammenhalt des Textaufbaus vorzugaukeln: Aufnahme der Autojagd als Metapher ("Wild wie seine Autojagden war die Karriere von Friedkin."), Ansatz eines Werküberblicks, der aber erneut nach zwei Stationen (erster Dokumentarfilm; eine Folge "Alfred Hitchcock presents") wieder bei "French Connection" und der Behauptung landet, "Friedkins Werk" sei, "bei aller Effekthascherei, immer dokumentarisch geblieben." Als Beleg dient die Tatsache, die Schauspieler des letztgenannten Films hätten mit realen Cops "den Hinterausgang der ausgehobenen Spelunken bewachen" müssen. Nachts sind eben alle Unken hinten. Dass "The Exorcist" (USA 1973) "eine coole Arbeitsplatzbeschreibung eines Teufelsaustreibers" ist, ist als coole Formulierung dann wohl eher selbstreferenziell als irgendwie nachvollziehbar.
Dann erneuter Formversuch: Rückkehr zum Beispiel "To Live and Die in L.A.", hier die Rede von der Selbstreferenzialität Friedkins selbst: "Voll dokumentarisch ist das einsame Meisterwerk 'To Live and Die in L.A.', 1985, dokumentarisch weil destruktiv. Willem Dafoe liefert ein Porträt seines Regisseurs - als ein mörderisch kompromissloser Künstler, der immer wieder seine Kunst erniedrigen und Blüten produzieren muss. Alles ist Trash in diesem Film, die Häuser und Straßen, die Kneipen und Büros, die Männer und natürlich die Frauen, die ganze Stadt. Fazit: ENTER."
Damit ist der Text zu Ende. Wir sind offensichtlich ausreichend überzeugt, hier einzutreten. "Alles ist Trash... und natürlich die Frauen." Und dann die Frauen. Ja, die Frauen. Was meinen Sie? Ja? Und auch Göttler, einsamer selbstbezüglicher Cop-Cop im Copland, lonely reader eines nicht enden wollenden Zeichenstroms auf der Leinwand, muss "Blüten produzieren", die er gegen echte LebenSZeit zu tauschen vermag, mit irgend einem irren, obwohl oder gerade weil suizidalen Drive. Artikelüberschrift übrigens: "Der müde Tod". Happy funeral, Mr. Friedkin.

DH

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