Rudolf Steiner, Niklas Luhmann
und Thomas Gottschalk
18.04.2005
In
den letzten Tagen Schriften von Rudolf Steiner
zur Ästhetik gelesen. Das
ist zwar hier und nervig wg. Wiederholungen (Mitschriften von Vorträgen),
auch manchmal verstiegen bis hin zur bloßen Spekulation. Aber weitgehend
ist das konsequent gedacht. Und es hat Menschen seiner Zeit beeinflusst,
Besucher seiner Vorträge wie auch Teilnehmer von theosophischen Zirkeln
(u.a. bei Graf und Gräfin Brockdorff in Berlin). Was da nicht alles
im Geheimen noch geschehen sein mag.
Um meine Kenntnisse aufzubessern, lese ich dann in Adolf
Baumanns "Wörterbuch der Anthroposophie" (1986) weiter.
Weiß also seit heute, was Steiner mit der "Dreigliederung des
sozialen Organismus" meint: Wirtschaft, Kultur, Recht. Baumann: "Jeder
Mensch hat, auch wenn er zur Hauptsache in einem Gebiet tätig ist,
selbstverständlich Anteil an allen drei Organisationen, wie sich
andererseits, so geht es aus Steiners Überlegungen hervor, auch bei
diesen sozialen Strukturen im Kleinen das Große, im Teil das Ganze
wiederholt. Jedes Glied des sozialen Organismus benötigt nicht nur
seine eigene Verwaltung, es bildet darüber hinaus für seine
eigenen Belange immer auch eine spezifische interne Dreigliederung aus
[...]." (S.55)
Zunächst: Ein Problem in Steiners Denken aus einer agnostischen Sicht
von Wissenschaftstheorie ist wohl, dass er moderne Erkenntnisse mit mystischer
Spekulation vermengt. Von Baumann wird hier ein mikro-/makrokosmischer
Zusammenhang referiert, der nicht für alle systemischen Fragen gelten
kann.
Aber: In seinem Anspruch, in seiner Terminologie und seinem Weltverhältnis
ernstgenommen zeigt sich in dieser strukturellen Verwobenheit der Lebensbereiche
etwas, das in der Ausdifferenzierung dieser Bereiche und deren Theoretisierung
- zumindest vorübergehend - verlorengegangen ist. Nach meiner Auffassung
sind gerade dadurch die größten Absurditäten und katastrophischen
Tendenzen unserer Gegenwart entstanden: Entfremdung von Menschen untereinander,
von ihrer Umwelt, tendenzieller Autismus der Funktionsbereiche von Wirtschaft,
Werktätigkeit, Wissenschaft, Kultur...
Das erinnert mich an einen meiner unveröffentlichten Texte (vom 16.11.2002),
für den es damals kein adäquates Format gegeben hat. Bei einem
Medien-Event mit Thomas Gottschalk fiel
mir damals eine merkwürdige Parallele zwischen seinen Aussagen und
der - von ihm nicht explizit zitierten - Systemtheorie Niklas
Luhmanns auf. Ein hervorragendes Beispiel für triviale und tautologische
Tendenzen von Luhmanns Begriffen und dem Selbstverständnis unseres
vom Disney-Konzern mitfinanzierten GröEAZ
(E für Entertainer).
Interesse? Dann bitte hier weiterlesen.
DH
|
Publizistik und
Wissenschaft
> Themen
filmdenken.de-Index
|