Polysemie des "psychophyischen Parallelismus"

09.03.2005

Bringe ein kleines Kapitel meines Dissertationsprojekts zu Ende. Thema: Hans Driesch, Biologie des Organischen (1908). Stöhnlaut nach der Einsicht, dass hier der sog. "Psychophysische Parallelismus" in seiner historisch dritten Bedeutung verwendet wird. Bei Gustav Theodor Fechner u.a. ist es die Parallele zwischen den äußeren Phänomenen und den psychischen Reaktionen; bei Drieschs Lehrer Ernst Haeckel, so ist Drieschs Text zu entnehmen, sind es die hirnphysiologischen Vorgänge, auf die psychische Ereignisse stets zurückzuführen sind. Bei Driesch ist es ein Syllogismus: Er parallelisiert die Psyche des Menschen mit der unkörperlichen Entwicklungstendenz allen biologischen Lebens, die er "Entelechie" nennt. Diese stehe mit der Materie in "Wechselwirkung", und somit sei - indirekt - der "wahre psycho-physische Parallelismus" gegeben.
So funktioniert Sprache, wie man bei etwas, was man wohl Diskursanalyse nennt, oft merkt. Da ist Jacques Derrida wohl Recht zu geben mit einer Art unaufhaltsamen Drift der Signifikanten. Aber etwas unrätselhafter ist es doch wohl ein fortgesetztes Spiel der Vertauschungen von Bedeutungen, die selbst durchaus intelligibel sind - auch 100, 150 Jahre später. Es ist zu verstehen, wie das gedacht ist. Das Verstehen erschwerend ist der Etikettentausch. Dahinter gibt es durchaus dieselben Behälter. Ob Essenz darin ist, vermag ich, Monsieur Derrida selig, an dieser Stelle auch nicht zu sagen.

DH

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