Verschärfung des Fußballsenderechts, Teil 2 - "Presseclub"

29.06.2008

In den Tagen allgemeiner Fußballeuphorie darf auch ein politisches Programm wie der Presseclub nicht zurückstehen und also beschäftigte sich die Sendung des "Presseclubs" (ARD) vom 29.06.2008 mit nämlichem Thema. Die Leistung der Beteiligten war, um im Balla-Sprech zu bleiben, nur auf Zweitliganiveau. Zunächst wurde nicht klar, welche Tonart in der Sendung eigentlich angeschlagen werden sollte. Als fundierte Diskussionsrunde zum Thema Fußball, seinen kommerziellen, politischen und sozialen Funktionen usw. sollte sie offensichtlich nicht aufgefasst werden, denn dies hätte der Gutelaunestimmung der Anwesenden - Cathrin Kalweit (Süddeutsche Zeitung, Anne Will), Helmut Markwort (FOCUS etc., Topmanager), Freddie Röckenhaus (Publizist, Medienunternehmer) und Jana Wiske (Kicker Sportmagazin), Moderation: Tina von Hassel - widersprochen.

Stattdessen „bespielte“ man das sichere Terrain des Allgemeinplatzes. Als Parodie auf die sonst auf diesem Sendeplatz stattfindende Polittalkshow funktionierte das Dargebotene hingegen auch nicht, dafür waren die Beiträge nicht launig genug. Die Sendung wäre also eigentlich nur eine Nichtigkeit, wenn der müßige Zuschauer nach den Ausführungen der Experten ab- oder umgeschaltet hätte. Für alle, die eine weitere Viertelstunde "dran" geblieben sind, stellte sich ein erstaunliches Phänomen ein, das auch schon bei andere Presseclubsendungen zu beobachten gewesen ist und, diese Prognose darf gewagt werden, als Symptom gedeutet werden kann für eine Tendenz von Presseberichterstattung, die zunehmend ihre eigene Wirklichkeit zu kreieren scheint (in der Systemtheorie wäre das wohl eine operative Schließung). Während die Diskutanten im Studio in der Sphäre des televisionären Second-Life die wunderbare Welt der Schwerkraft unter sich ließen und so taten, als sei Fußball immer noch die schönste Nebensache der Welt (wenn dies so wäre, warum muss die ARD dann bei all dem medialen Kicker-Overkill auch noch diese Sendung opfern?), haben die anrufenden Zuschauer genau das gemacht, was eigentlich die Aufgabe der Anwesenden gewesen wäre. Während diese nämlich im besten Normalisierungsjargon alles großartig fanden und offensichtlich den Vormittag in beschwingter Stimmung verbrachten, obwohl der zu Werner Höfers Zeiten obligatorische Wein schon lange nicht mehr gereicht wird, taten jene genau das, was eigentlich von einem Journalisten erwartet werden kann: Sie stellten kritische Fragen.

Wieso den Anwesenden partout nichts zu den Themen Fußball und Kommerz oder Rassismus und Schmähgesänge der Fans einfallen wollte, warum stattdessen die hinreichend bekannte Luftnummer von der integrativen Kraft des Fußballs durchgekaut wurde (hinreißend auch der Beitrag, welche Politiker denn wohl wirkliche Fans seien; Antwort: Schröder und Stoiber) und weshalb die Moderatorin auf die bedenkenswerten Telefonbeiträge stets mit breitem Dauergrinsen reagierte, bleibt das Geheimnis der ARD-Oberen, die, wahrscheinlich aus der gleichen Arroganzquelle schöpfend, alle Beteiligten garantiert auch zu der nächsten Sendung einladen würden, wenn das Thema „es“ erfordert. Noch ein Wort zu der immer wieder beschworenen „Integration“. Ein Mitglied der Runde konnte es nicht unterlassen, als Beispiel Podolski und Klose zu zitieren, die doch beide polnische Vorfahren gehabt hätten, nun aber mit dem Bundesadler auf der Brust für Deutschland etc., etc. Wie schön!

Zieht man zum Vergleich eine andere populäre Form der Unterhaltung heran, den Film, verdeutlicht sich vielleicht die Hohlheit des Arguments. Das rassistische, chauvinistische, sexistische Kino des Dritten Reiches zählte zu seinen größten Stars Schauspieler aus aller Herren Länder (Herrenländer?): Schweden (Zarah Leander, Kristina Söderbaum), Holland (Johannes Heesters), England (Lillian Harvey), Ungarn (Marika Rökk), Tschechoslowakei (Lida Baarova) usw. Sollte man das jetzt für die integrative Kraft des Films halten? Nein, es kommt wohl eher auf die Praxis eines jeden Staates an und die ist, solange in der Bundesrepublik "Wirtschaftsflüchtlinge" mit Gewalt durch die Polizei abgeschoben werden, eindeutig nicht zu vergleichen mit der fürstlichen Behandlung die Reisenden in Sachen Spitzenfußball widerfährt. Aber über Polizeigewalt oder das Elend von Menschen, die aus wirtschaftlicher Not emigrieren, werden keine Presseclubs abgehalten.

Ein Wort noch zum Spiel der deutschen Mannschaft selbst: Es ist tatsächlich auch ein Spiegel der Verhältnisse im Land. Obwohl die Leistungen überwiegend mau waren, The Return of Rumpelfußball, war die Stimmung großartig. Qualität kann im Negativen, diese Erkenntnis ist zu ziehen, eben doch in Quantität umschlagen. Auch eine Nachricht.

Anders Wolz

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