Medienwirkungsforschung
29.05.2005
Bei
einzelnen Argumenten auf dieser Website kann der Eindruck entstehen, es
würden Ergebnisse von Medienwirkungsforschung
pauschal einer Privatmeinung geopfert. So in der Presseschau zu "Million
Dollar Baby", wo ich etwa räsonniere über "Verbrecher,
die - neben anderen Gründen für Verbrechen - ihre tödlichen Männlichkeitsfantasmen
aus Filmen von Eastwood
& Co. entliehen haben" (zum
Text).
In anderem Zusammenhang wurde ich kürzlich darauf aufmerksam gemacht,
dass der vorschnelle Analogieschluss 'mediale
Gewalt / reale Gewalt' an den Verbrechensstatistiken etwa asiatischer
Länder sich nicht bestätigt - obwohl die populäre Kultur
sich durch ein höheres Maß von Gewaltdarstellungen auszeichne.
Zu fragen wäre nach weiteren sozialen Bedingungen: Menschen etwa
in japanischen Großtstädten leben auf viel engerem Raum zusammen.
Soziale Kontrolle ist deshalb in einem anderen Maß anzunehmen. Und
wir verhält es sich mit Waffengesetzen? Aber Sie werden solche Argumente
bestimmt kennen und können sie - hoffentlich fundierter - an anderer
Stelle nachlesen.
Worum es in Texten auf dieser Website geht, ist jedoch von mir aus nicht
die i.w.S. medienpädagogische Wirkungsforschung. Es geht um die Filmtexte
selbst und die Frage, wie sie an Bewusstsein und Bedeutung arbeiten. Verwendung
von Waffen und körperlicher Gewalt ist in TV-Programmen ein Normalfall.
Und unabhängig von Vorstellungswelten - irgendwo sind wir alle pervers
- zielen meine Fragen darauf ab, welches Weltverhältnis auf einer
semiotischen
und assoziationspsychologischen
Ebene in diesem Zusammenhang definierbar ist.
Ein Eastwood gehört zu den Anwälten jener Bedeutungsproduktion,
die über Jahrzehnte Gewalt nicht als solche thematisiert haben -
wie man es in verwandten Filmproduktionen z.B. bei Peckinpah begründen
kann -, sondern für eine unmittelbare, unreflektierte Ballerkultur
stehen. Handelsübliche - und zahlreichere - TV-Produktionen sind
da oft noch gedankenloser.
Schlecht wird einem doch, wenn man assoziative Abfolgen vorfindet wie
auf der Website http://www.zuschauerreaktionen.de/index2.htm.
Es handelt sich um eine 'Fansite' der ZDF-Sendung Aktenzeichen
XY ungelöst, in der bekanntlich reale Kriminalfälle als
Spielfilmszenen nachgestellt werden, um nach "sachdienlichen Hinweisen"
zu fahnden. Auf der verlinkten Seite wird ein Buch angepriesen, in dem
Fakten und Hintergründe zu dieser frühen Variante des "Reality
TV" versammelt sind. In der Einleitung der Buchpräsentation
bemerken die Autoren noch: "Die grausamen Schicksale, die in XY behandelt
werden, gehen uns natürlich genauso nahe wie allen anderen Zuschauern.
Es ist daher auch nicht unsere Absicht, auf unseren Seiten mit Entsetzen
Scherz zu treiben!" Was jedoch eher wie eine Schutzbehauptung wirkt,
wenn man ein paar Zeilen später in der Buchvorstellung liest: "Auf
knapp 300 Seiten erfahrt ihr wirklich ALLES über den Dauerbrenner: Skurriles,
Statistisches, Hintergründiges und jede Menge über die besten Filmfälle
aller Zeiten, ihre Aufklärung oder den Ermittlungsstand. Außerdem kommen
zahlreiche Prominente zu Wort, Kriminalbeamte und Politiker. Ein ausführlicher
Teil beschäftigt sich mit der "Kontroverse XY", ihrer Geschichte und heutigen
Bedeutung. Tabellarisch sind alle Filmfälle von Folge 1 bis heute aufgelistet,
und in einer umfangreichen Rubrik werden die kultigen Besonderheiten bis
ins Detail aufgedeckt."
Es geht also auch - und immer noch - um eine altmodische hermeneutische
Frage nach Realismus und Ideologie, wenn mediale Inhalte bewertet werden.
Und so ein Text zeigt, wie brav eingeübte Medienkompetenzen
in denselben Hirnen ein paar Synapsen weiter auf das "Skurrile"
und die "kultigen Besonderheiten" der "besten Filmfälle
aller Zeiten" trifft - falls die Autoren das ernst meinen, wovon
ich hier schwer betroffen provisorisch ausgehe.
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